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Die Darstellung der Kreuzigung in Hl. Ewalde

Ein erster Blick auf das Bild

Zu sehen sind eigentlich zwei Bilder: eine große Tafel und eine kleine. Auf der großen Tafel sehen wir Jesus am Kreuz. Seine Arme sind weit ausgebreitet. Sein Kopf ist geneigt, der Mund weit aufgerissen und die Augen geschlossen. Jesus ist offenbar bereits tot. Rechts neben dem Kreuz sind drei Männer zu sehen. Ihre Kleidung lässt auf Handwerker oder Bauern schließen. Ihre Körperhaltung ist gebückt. Sie laufen umher und tragen Stangen in den Händen. Auf der kleinen Tafel sitzt eine Frau auf dem Erdboden. Mit einer Hand stützt sie sich ab. Ihr Haar fällt zur Seite. Ihre Zehennägel sind rot lackiert. Sie trägt modische, offene Schuhe und ein leichtes Kleid. Sie macht keinen seriösen Eindruck.

Außerdem sehe ich eine Leiter und drei weitere Stangen. Alle fünf dargestellten Personen haben die Augen geschlossen. Der Hintergrund beider Tafeln ist düster. Der dunkle Braunton erinnert an Staub oder dunkle Erde. In beiden Tafeln scheint ein schwaches Licht von rechts zu kommen. Es scheint eine Tafel als rechtes Seitenbild zu fehlen, wenn man das Bild vor allem mit der bekannten Kreuzigungsdarstellung von Matthias Grünewald vergleicht. Sie ist im Gegensatz zu diesem Diptychon als Triptychon gestaltet.

Der Maler und sein Werk

Der Maler des Bildes heißt Volker Stelzmann. Er wurde 1940 in Dresden geboren. Als Jugendlicher lernt er in der DDR als Feinmechaniker, Grafiker und Maler und wird schließlich Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Er wird Kulturfunktionär, ohne Parteimitglied zu sein und bringt es zum Nationalpreisträger. 1986 wechselt er nach West-Berlin und lebt in Kreuzberg. Stelzmann versucht, alte Themen für heute darzustellen. Er will die Tradition mit den Problemen unserer Zeit füllen. Dabei betrachtet er geschichtlich gewachsene Symbole und Muster, denen der Mensch vertraut hat, die er verstand und die heute in Widerspruch zur Entwicklung der Gegenwart geraten sind.

Er zeigt die Spannung auf zwischen Vorstellungen und Erfahrungen früherer Zeit und gesellschaftlichen Vorgängen heute. Symbol und Muster verlangen eine neue Interpretation. Für Stelzmann ist der Mensch von heute verstrickt in die Schwierigkeit, Leben und Würde zu behaupten, und das obwohl er verletzt ist und ständig Anfechtungen ausgesetzt scheint. Es geht um menschliche Grundsituationen. Stelzmann hat einen Blick für die Ausgestoßenen. Unser Doppelbild "Kreuzigung" hat Stelzmann 1987/88 gemalt mit Anklängen an Matthias Grünewald. Wie Grünewald malt er einen Christus mit weit ausgestreckten Armen als Mann des Leidens. Anders als Grünewald verzichtet er auf die Darstellung schmerzvoll gewundener Glieder und auf die vielen Körperwunden.

Sein biblisches Golgota erinnert an sein Berliner Kreuzberg. Die Menschen sind gebeugt, stürzen und erscheinen alle irgendwie festgenagelt. Dabei ist Passion für ihn kein religiöses Thema aus der Geborgenheit des Glaubens, sondern ein Symbol der Geschändeten, Gequälten, Verfolgten heute und ihrer Täter. Stelzmann schaut von außen auf die Glaubenswelt, die Fremdheit ist den Bildern eingraviert. Er vollbringt einen künstlerischen Salto Mortale ohne das Netz des christlichen Glaubens. Stelzmann malt Menschen, die seltsam isoliert wirken. Die dargestellten Menschen werden nicht idealisiert, aber der Künstler würdigt sie, lässt sie in seinen Bildern leben, ohne ihnen eigene Vorstellungen aufzuzwingen. Er respektiert sie. Dem Betrachter erwachsen beim Anschauen keine Maxime für das Leben heute. Dies bleibt Aufgabe des Betrachters. Und dies ist vor allem eine Herausforderung an uns als Christinnen und Christen.

Das Bild mit christlichen Augen betrachtet

Was bewegt das Bild in uns als Christinnen und Christen? Im Mittelpunkt des Bildes zieht der Gekreuzigte das Augenmerk auf sich. Seine Gestalt wirkt überdehnt. Die übergroßen Nägel in Händen und Füßen lassen große Schmerzen vermuten. Eine Wunde auf der rechten, nicht auf der linken Seite, ist nur zu erahnen. Der Kopf ist nach unten gebeugt, die Augen sind geschlossen. Offenbar ist Christus bereits verstorben. Der weit aufgerissene Mund und das qualvoll verzerrte Gesicht zeugen noch von den barbarischen Schmerzen, die er durchzustehen hatte. Ein Mann der Schmerzen, den wir da vor uns sehen. Ich denke spontan an das Lied vom Gottesknecht bei Jesaja im Alten Testament. Der Gerechte macht die vielen gerecht, heißt es da. Er lädt ihre Schuld auf sich. In der Tat ist Christus im Bild so dargestellt. Seine Arme erscheinen mir nicht mehr mit Gewalt von den Henkersknechten auseinandergezerrt.

Mir kommt es so vor, als ob er selber im Tod die Arme ausbreitet. Und er scheint uns anzusprechen: Ich wollte euch alle in meiner Nähe haben, ich wollte euch um mich scharen, aber ihr habt nicht gewollt. Und dennoch, ich werde euch alle an mich ziehen. Jesus liebt noch im Todeskampf, will niemanden verlieren. Und plötzlich scheint mir auch der Kopf nicht einfach so kraftlos nach unten gesunken. Jesus neigt sein Haupt. Das ist ein aktiver Vorgang. Und so steht es bei Johannes: er neigte sein Haupt und gab seinen Geist auf, gab ihn in die Hände des Vaters zurück. Markus bezeugt den Vorgang so: Jesus aber entließ einen großen Schrei und hauchte sein Leben aus. Ein erstaunlicher Vorgang, denn am Kreuz Sterbende sind lange vorher durch den Blutverlust bewusstlos. Nicht so Jesus: Er breitet die Arme aus, er neigt sein Haupt und der tut einen Schrei.

Bewegende Liebe über den Tod hinaus. Verständlich deshalb die Worte des heidnischen Hauptmanns unter dem Kreuz: Wahrlich, dieser war Gottes Sohn. Verständlich auch, warum im Bild des Gekreuzigten immer gerade die Leidenden, die Missachteten, die Verfolgten und die Gefolterten Trost fanden und finden. Im Bild des Gekreuzigten scheint das Leid der ganzen Menschheit aufgehoben. Ein Trost für alle Ausgestoßenen. Jesus begegnet uns seither im Geringsten, mit dem er am Kreuz eins geworden ist. Auf unserem Bild befinden sich solche Randexistenzen: Die drei Männer rechts und die Frau links. Die Männer werkeln irgendwie herum, erscheinen in sich selbst versunken, in sich zurückgezogen. Die Männer sind zu Typen reduziert. Und Sie laufen irgendwie im Kreise. Sie drehen sich um sich selbst. Ihre Augen sind geschlossen. Sie laufen im Kreis wie Blinde. Ihr blinden Narren, so schimpft Jesus im Neuen Testament bei Matthäus im 23. Kapitel. Und im 16. nennt er die Pharisäer blinde Blindenführer. Zwei der Männer tragen Stangen in den Händen. Sie scheinen damit etwas bewegen zu wollen, und sie bewegen doch nichts. Ihre Bewegung im Kreis scheint vergebens.

Noch weiter am Rande die Frau. Maria Magdalena? Vielleicht.

Ihre fahle Erscheinung fällt auf. Ebenso die eckigen Glieder. Sie erscheint verlebt, verbraucht, am Boden. Das Kreuz in der Mitte wiederholt sich bei den Männern in den beiden Stangen, die sich kreuzen und auch bei der Frau. Leiter und Stangen ergeben Kreuzfigurationen. Jeder auf dem Bild scheint sein Kreuz tragen zu müssen. Von der Mitte des Bildes her entdecke ich etwas Erstaunliches: Der Körper Jesu scheint zu leuchten, er strahlt etwas aus. Auf dem toten Körper ist schon etwas vom österlichen Glanz der Auferstehung zu ahnen. Vom Rand her treten die Farben hervor, die für die Pracht und den Reichtum der Erde stehen, in der Mitte tritt das zurück und ein Stück himmlische Leuchtkraft wird sichtbar. Die drei Männer haben sich diesen Glanz noch nicht geöffnet. Werden Sie bald spüren, was vor sich geht? Jesus breitet seine Arme auch über ihnen aus.

Bei Lukas lesen wir im vierten Kapitel: Der Vater hat mich gesandt, den Zerschlagenen die Freiheit zu bringen, den Gefangenen Entlassung und den Blinden das Augenlicht. In dieser Vorahnung des österlichen Lichts erscheint mir der Körper des Gekreuzigten verändert: Würdevoll, symmetrisch und erhaben, voller Kraft und Schönheit. Und er ist nicht mehr der Erde verhaftet wie die Männer und die Frau. Er scheint über der Erde zu schweben. Von daher leuchtet ein, warum das Bild im Altarraum hängt: Es führt uns hin zum Kern der Eucharistie: Deinen Tod, oh Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bist du kommst in Herrlichkeit. Es ist vollbracht. Mit den letzten Worten am Kreuz, sterbend, besiegelt Jesus den neuen Bund, den wir in jeder Messe feiern.

Winfried Breidenbach

 

 
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